Musical AG : Einer bleibt sitzen

JEVER/WAN Stehende Ovationen erntete die Musical-AG des Mariengymnasiums zu Jever am Freitag im Theater am dannhalm für ihre bravouröse Premiere ihres neuen Stückes „Einer bleibt sitzen“ nach dem gleichnamigen Film von Matthias Pacht und Tim Trageser von 2008.
Das Außergewöhnliche dieser Inszenierung von Jens Marnowsky mit der Schulband unter Leitung von Klaus Wagner war, dass es sich um ein echtes Rollstuhl-Musical handelt. Genau das meint der Titel nämlich, dass fast alle Mitwirkenden als „Behindis“ im Rollstuhl sitzen. Hauptfigur ist dabei Michel (Jan Birkheuer), dem Freundin Sabine (Imke Thomßen) den Laufpass gegeben hat. Wütend hatte er sich daraufhin auf sein Motorrad geschwungen.
Als er wieder aufwachte, weiß er nichts von dem Unfall, der ihn zum Querschnittsgelähmten machte.
Seine Verzweiflung und der Überdruss an einem Leben unter all den misslichen Einschränkungen wird nun plastisch verdeutlicht. Doch da ist auch Stefan (Sebastian Prehn), sein bester Freund, der von Gewissensbissen gequält wird, denn wegen ihm hatte Sabine Schluss gemacht. Er kann es Michel nicht gestehen, bemüht sich nun aber um so intensiver darum, Michel aus der tiefsten Depression zu reißen. Seine verrückte Idee: gemeinsam mit Freund Memme (Jonas Gebauer) begleiten sie Michael in die Reha-Klinik und um nicht aufzufallen tarnen sie sich als selbst Rollstuhlabhängige.
Da geht es immer wieder unter die Haut, wenn nun im großen Kreis all die anderen Patienten schildern, wie sie im Rollstuhl gelandet sind und mit grimmigem Humor singen: „Ich hab meinen Sitzplatz immer dabei“. Da wachte Clarissa (Annika Martin) eines Morgens als durch einen Tumor Gelähmte auf oder bei Marie-Claire (Melissa Balduff) bedeutete ein Sturz auf dem Catwalk das Ende der Model-Karriere. Und wenn dann Yussuf (Diana Jazik) als herrlich kauziger Kobold nach einem Fehlversuch im Bordell die kaputten Chancen auf Sex bejammert, bringen vier trotz Rollstuhl fröhliche Bayern-Zenzies das Thema des „Schnackselns“ als Querschnittsgelähmter schonungslos deftig auf den Punkt.
Zu den Höhepunkten des Musicals gehörte die große Rolli-Fete von Choreograph Maic Stephan, die er bei seiner Premiere mit hinreißenden Figuren einstudiert hatte. Die künstlerisch bewegendste Szene aber war ein Pas-de-Deux von Stefan und Michel, als der Gesunde mit dem Gelähmten einen grandiosen Schwimm-Tanz vollführte. Ähnlich unter die Haut ging jedoch auch die scheue Annäherung des ja nicht wirklich gelähmten Memme an Clarissa und seine Verwirrung: „Ich hatte noch nie eine Freundin – warum ausgerechnet eine Behinderte?!“
Auch in dem starken Finale beeindruckte außerdem die fast vollständig von Jek Marwa (Jens Marnowsky, Klaus Wagner und die Band) entwickelte Musik und am Ende stand pure Begeisterung im ausverkauften Haus für ein ebenso tiefgründiges wie lebensnahes Musical. Dazu sollte man wissen, dass zwölf der Akteure am Tag vor der Generalprobe ihre Abiturprüfungen absolvierten. Schulleiter Frank Timmermann verkündete deshalb mit besonderer Freude, bevor der Vorhang zum Musical hochging und ganz im Gegensatz zum Musical-Titel: „Keiner blieb sitzen!“

11.06.2013 Autor : Wolfgang A. Niemann

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