Ehemalige Persönlich – Vortrag mit Dr. Gerwin Moldenhauer

FOTO: v.l. Renate Janßen-Niemann, Peter Tolksdorf, Dr. Matthias Bollmeyer (alle Ehemaligen-Verein), Dr. Gerwin Moldenhauer, Schulleiter Jürgen Ploeger-Lobeck sowie Dirk Degener (Ehemaligen Verein)    

  JEVER/WAN Mord und Totschlag und sogar Terrorismus hielten am Mittwoch Einzug ins Mariengymnasium zu Jever. Schulleiter Jürgen Ploeger-Lobeck aber freute sich in der sehr gut besuchten Aula über den speziellen Gast, der all das an seine alte Penne mitbrachte.

 Dr. Gerwin Moldenhauer machte 1993 das Abitur am MG und 2019 hatte Dr. Matthias Bollmeyer vom Verein der Ehemaligen ihn für „Die alte Schulglocke“ interviewt. Zusätzlich hatte der gebürtige Schortenser aber auch einen Vortrag unter dem Titel „Recht. Staat. Schutz“ zugesagt und er kam gern hierher. Er sei ein mittelmäßiger Schüler gewesen, halte aber immer noch viel Kontakt zu früheren Schulkameraden.

 Ein frühes Rechtsstaatsempfinden habe er 1986 bei seiner ersten Demo in Jever erlebt, als Schüler gegen das Berufsverbot der Lehrerin Dorothea Vogt auf die Straße gingen. Sie war wegen der Mitgliedschaft in der nicht verbotenen DKP aus dem Beamtenverhältnis entlassen worden und wurde erst 1995 durch Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichts rehabilitiert. Moldenhauer bekam es nach seinem Jura-Studium seit 2005 als Staatsanwalt dann mit Kapitalverbrechen zu tun.

 Da ging es in Hamburg um Ermittlungen und Gerichtsverfahren gegen „schwere Jungs“ und dergleichen. Bis er 2013 zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe und dort zum Generalbundesanwalt abgeordnet wurde. Dort geht es um den Justiziellen Staatsschutz und in der „Festung“ mit Mauern und Panzerglas – Moldenhauer zeigte ein Bild des schönen aber schwer abgeschotteten Gebäudes – arbeiten rund 180 Mitarbeiter in den Abteilungen „Revision“ und TE, also Terrorismus, und Spionage.

 Mit rund 20 Kollegen ermittelt Moldenhauer hier zu terroristischen Vereinigungen wie RAF, NSU und Dschihadisten, aber auch bei „Verfahren von besonderer Bedeutung“ wie der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke. Der Linksterrorismus sei im Übrigen ebenfalls „kein Schnee von gestern“, so gehe ein früheres RAF-Trio immer noch auf Raubzüge und in Berlin gab es Brandanschläge auf Polizeiautos.

 Während er selbst noch im „Massengeschäft islamischer Terrorismus“ ermittelte, sei dann am 4. November 2011 wie ein Tsunami der NSU-Komplex über sie hereingebrochen, der die Sicherheitstruktur Deutschlands veränderte. Der mittlerweile zum Oberstaatsanwalt beförderte Moldenhauer entwickelte sich zum Spezialisten für den „Nationalsozialistischen Untergrund“ und stellte nun etliche spannende Details vor. Er war nicht nur in den NSU-Prozess in München involviert, er hatte auch bei den Ermittlungen Erlebnisse der besonderen Art.

 So verhörte er den NPD-Politiker Ralf Wohlleben im Knast und konnte Entscheidendes über eine Tatwaffe des NSU aus ihm herauskitzeln. Was ihn zur umgehenden Verhaftungsaktion mitsamt Einsatzkräften der GSG 9 in Zwickau führte. Gerwin Moldenhauer vertritt im Übrigen auch Generalbundesanwalt Dr. Peter Frank persönlich bei den häufigen Lagebesprechungen im GTAZ (Gemeinsames Terrorismus-Abwehrzentrum) in Berlin, in dem sich Staatsschutz, Polizeien und Geheimdienste austauschen.

 Mit spürbarer Begeisterung schilderte er auch etliche andere Aspekte, so die Folgen des von Präsident Trump angeordneten Rückzugs der US-Truppen aus Syrien/Irak: unter den über 1000 „Foreign Fighters“ des IS seien gut 120 solche mit Deutschland-Bezügen, die freizukommen drohen und also relevant für Ermittlungen des Generalbundesanwalts werden können. Unter viel Beifall schloss Moldenhauer dann seine fesselnden Ausführungen mit einem Bedauern: vor Gericht müssten die Ermittler ihre Methoden offenlegen, so dass die Gegenseite stets dazulerne. „Also kriegen wir meist nur die Dummen.“

Autor: Wolfgang A. Niemann

TERMINANKÜNDIGUNG „Ehemalige persönlich“

Vortrag mit Gerwin Moldenhauer (Abitur 1993)

Der Vereinsvorstand konnte unser Mitglied Dr. jur. Gerwin Moldenhauer, Jurist und Oberstaatsanwalt beim Generalbundes-
anwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe, als Referenten gewinnen.
Nachdem er in der Sommerausgabe 2019 unserer Vereinszeitschrift „Die alte Schulglocke“ über seinen Werdegang und seine Tätigkeiten im Rahmen der Reihe „Ehemalige persönlich“ berichtet hatte, steht er im Februar 2020 für einen Vortrag zur Verfügung. Der öffentliche Abendvortrag zum Thema „Staat, Recht,Schutz“ findet am Mittwoch, 12. Februar 2020, ab 19.30 Uhr in der Aula des Mariengymnasiums statt. Ein Vortrag für Schülerinnen und Schüler der Schule ist nicht vorgesehen.
Alle Ehemaligen und Gäste sind herzlich eingeladen.

Gerwin Moldenhauer studierte Jura, Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte in Göttingen und legte im Jahr 2000 das 1. Staatsexamen in Hannover ab. Anschließend arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Göttingen und wurde ebenda zum Dr. jur. promoviert. Während seines Referendariats in Hamburg spezialisierte sich Moldenhauer auf das Strafrecht. In diesem Zusammenhang war er auch in der Strafvollzugsanstalt Fuhlsbüttel tätig und lernte beispielsweise den sogenannten „Säurefassmörder“ kennen. Ab 2005 arbeitete Gerwin Moldenhauer als Staatsanwalt in Hamburg, wo er zunächst Kapitalstrafsachen bearbeitete und von wo er im Jahr 2013 an den Bundesgerichtshof nach Karlsruhe abgeordnet wurde. In dieser Zeit spezialisierte er sich strafrechtlich besonders auf den Bereich des Terrorismus und wirkte an den Ermittlungen im NSU-Verfahren mit. Zum Jahreswechsel 2015/16 wurde Moldenhauer aus Hamburg dauerhaft an den Bundesgerichtshof versetzt und arbeitet dort seitdem im Grundsatzreferat der Abteilung Terrorismus. In dieser Funktion vertritt er den Generalbundesanwalt auch im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum in Berlin, wo er ebenfalls Lehraufträge an der Freien Universität wahrnimmt. Im Jahr 2019 wurde er durch den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier zum Oberstaatsanwalt ernannt.